8 Jan, 2023

Schwarzkehl-Schwanzmeisen

Schwarzkehl-Schwanzmeisen – Erfahrungen bei der Nachzucht

Text und Fotos: Dr. Walter Wittig   /  Dresden

Schwarzkehl-Schwanzmeise, Weibchen

Schwanzmeisen (Aegithalidae) sind mit den Eigentlichen Meisen (Paridae) nicht näher verwandt. Die Familie umfasst nach der aktuellsten Taxonomie 12 Arten, die bis auf einen amerikanischen Vertreter alle in der Paläarktis bzw. Orientalis zuhause sind.

Mit den einheimischen Schwanzmeisen (Aegithalos caudatus) lebt auch ein Vertreter der Familie in Deutschland. Alle Arten der Aegithalidae sind recht kleine Vögel mit meist langem Schwanz. Aber nicht alle Arten schmücken sich mit so langen Schwanzfedern wie z. B. unsere Schwanzmeisen. Manche zeigen eher eine markante Zeichnung am Kopf. Zu diesen gehört die Schwarzkehl-Schwanzmeise (Aegithalos concinnus). Vielen Vogelfreunden ist sie unter der Bezeichnung Rostkappen-Schwanzmeise bekannt. Doch ist dieser Name nicht immer zutreffend, da manche ihrer sieben Unterarten eine andersfarbige Kopfkappe haben.

Bei vielen Vogelhaltern ist die Schwarzkehl-Schwanzmeise noch unter dem Namen Rostkappen-Schwanzmeise bekannt.

Fütterung und Haltung 

Im Februar 2018 hatte ich das Glück, ein Pärchen dieser Schwarzkehl-Schwanzmeisen erwerben zu können. Aufgrund ihrer Zeichnung und Färbung vermute ich, dass sie der Nominatform, also der Unterart Aegithalos concinnus concinnus bzw. der Unterart Aegithalos concinnus talifuentes) zugehören. Erstere lebt in weiten Teilen Vietnams und Taiwan, während die andere Unterart in Myanmar, Süd-China und im nördlichen Indonesien vorkommt.

Da es sich um Wildfänge handelte, gewöhnte ich sie zunächst in einem geräumigen Käfig an Fettfutter, auch in pelletierter Form; sie zogen zeitweise die eine oder die andere Form vor. Dieses Fettfutter wurde neben „Mehlwürmern“, den Larven der Mehlkäfer, ihre Ernährungsgrundlage. Als später Junge im Nest lagen, wurden auch sehr kleine und halbwüchsige Mehlwürmer sowie Frostfutter in Form von tiefgefrorenen Buffalo-Würmern (Getreideschimmelkäfer-Larven) und Pinkies (Goldfliegen-Larven) gegeben. Regelmäßig erhielten sie Apfel oder ein anderes geeignetes Obst, im Winter auch geraspelte Nüsse, deren Zugängigkeit ich für die vergesellschafteten Gimpel durch ein Sechseck-Drahtgeflecht (O 26 mm) verhinderte.

Komac und Motyl (2009) hatten auf Grund ihrer Erfahrungen auf die Bedeutung einer guten Vitaminversorgung für die Schwarzkehl-Schwanzmeisen hingewiesen. Bei dem industriell hergestellten Fertigfutter kann von ausreichendem Vitamingehalt ausgegangen werden, nicht aber bei den Mehlkäfer-Larven und dem Frostfutter. Deshalb wurden die Larven aller Größen in den letzten 12 bis 24 Stunden vor der Verfütterung bei einer Temperatur, die ihnen die Nahrungsaufnahme ermöglicht, mit Möhren und gelegentlich auch Salat oder Möhrenkraut gefüttert; sie durften dabei mehrheitlich noch nicht in dem Zustand vor der Verpuppung sein, in dem keine Nahrung mehr aufgenommen wird.

Es sollte dadurch erreicht werden, dass ihr Magendarmkanal zum Zeitpunkt der Verfütterung noch vitaminhaltiges Futter unverdaut enthält. Außerdem wurden sie unmittelbar vor der Verfütterung mit einem geeigneten Multivitaminpräparat unter Zusatz von einigen Tropfen Speiseöl zur besseren Haftung und unter Beachtung der Dosierungsangabe des Herstellers bepudert; das Frostfutter wurde, mit Ausnahme des Speiseöls, genauso behandelt. Ich verwendete Nekton‑S in der Dosierung von 1 g (Messlöffel) auf etwa 50 g (20 Teelöffel) „Mehlwürmer“ oder Frostfutter; bei Mehlkäfer-Larven, die vorher mit Möhren gefüttert worden waren, wurde die Dosis Nekton-S halbiert.

Zum Baden und Trinken diente auch eine flache Schale am Boden, doch meine Schwarzkehl-Schwanzmeisen ließen sich hier nie beim Baden beobachten. Wenn aber die Zypresse mit Wasser besprüht wurde, kamen alle bald herbei und badeten sehr intensiv in den nassen Zweigen, nicht nur bei warmem Wetter.

Vier Wochen nach Erwerb zogen die beiden Vögel zunächst in eine etwa 6 m² große Innenvoliere um, an die sich eine gleichgroße Außenvoliere anschloss. Hier lebten sie zunächst zusammen mit vier Goldgrasmücken (Lioparus chrysotis, früher Goldalcippen genannt), mit denen sie sich gut vertrugen. Meist hielten sie sich in der Außenvoliere auf, in der sie in dem folgenden relativ milden Winter auch übernachteten. Gewöhnlich kamen sie nur zur Futteraufnahme nach innen.

Im zeitigen Frühjahr des nächsten Jahres bezogen sie die Gartenvoliere mit einer Grundfläche von 16 m² und einer Höhe von 2,50 m. Diese ist etwa zu einem Drittel mit transparenten Profilplatten abgedeckt und mit einer sehr kräftigen und einer schwächeren Leyland-Zypresse (Cupressocyparis leylandii), Chinesischem Wacholder (Juniperus sinensis stricta), Buchsbaum (Buxus sempervirens), Chinarohr (Sinarundinaria nitida) und Efeu (Hedera helix) relativ stark bewachsen. In dieser Voliere lebte auch ein Pärchen Maskengimpel (Pyrrula erythaca).

Verlauf der Bruten

Anfang Mai flogen beide Schwanzmeisen mit Wolle im Schnabel umher und begannen auch bald mit dem Bau ihres Nestes, das am 17. Mai fertig war. Jetzt und am folgenden Tag wurden nur noch viele Federn eingetragen. Aber mehr geschah nicht, und die Hoffnung auf Nachzucht musste zunächst aufgegeben werden. Das Nest mit dem Schlupfloch auf der Oberseite befand sich in einer Höhe von nur 70 cm zwischen Zweigen des Chinesischen Wacholders.

Anfang August begann die Mauser. Im folgenden Jahr, 2020, wurde schon Anfang April mit dem Bau des Nestes begonnen, das Mitte des Monats vollendet war. Die Schwanzmeisen verwenden dazu alte Bambusblätter, Baumwolle und Wolle, Watte, Tierhaare, Spinnweben, dünne pflanzliche Fäden und auch Kokosfasern, die ringförmig vor allem um das Schlupfloch platziert wurden. Zuletzt wurde das Innere mit zahlreichen kleinen Federn ausgepolstert, die in Anbetracht der zur Brutzeit herrschenden oft niedrigen Temperaturen wohl zum Überleben der Jungvögel in dieser Zeit von Bedeutung sind.

Das Nest in der Leyland-Zypresse mit dem Schlupfloch auf der Oberseite

Dieses Mal befand sich das Nest hoch oben in der großen Leyland-Zypresse, kurz unter dem Volierendraht der Decke. Von unten wurde es durch die Zweige der Zypresse vollständig verdeckt; wie sich später zeigte, war es in eine Gabelung gebaut und hatte wieder das Schlupfloch auf der Oberseite. Um es vor Regen und Sonne zu schützen, deckte ich das Drahtgitter darüber ab.

Etwa ab 24. April ließ sich das Männchen meist allein sehen, das Weibchen nur noch selten. Offensichtlich wurde jetzt gebrütet. In dieser Zeit flogen beide Partner wiederholt kurze Zeit gemeinsam in der Voliere herum, wobei das Männchen meist dem Weibchen folgte, das eine Feder im Schnabel trug.

Am 7. Mai hielt sich das Männchen öfter dort auf, wo man das Nest vermuten konnte, und am nächsten Vormittag wurden wiederholt „Mehlwürmer“ dorthin gebracht, später wohl auch Frostfutter. Eine Woche später beobachtete ich, dass die Eltern manchmal mehrere Buffalo-Larven oder zwei Mehlkäfer-Larven gleichzeitig im Schnabel trugen.

Am 24. Mai vormittags waren die Jungen ausgeflogen und saßen bald zu viert, in einer Reihe zusammengekuschelt, auf einem Zweig; nur eines der Jungen hatte dazu ein wenig länger gebraucht.  Auch die ersten Tage danach sah man sie meist zu viert oder zu zweit sitzen, aber bald waren sie hin und wieder auch allein unterwegs.

Die Jungvögel der 2020er-Brut saßen zu viert in einer Reihe, zusammengekuschelt, auf einem Zweig.

Die Alten fütterten sie jetzt vor allem mit Mehlkäfer- und gefrosteten Getreideschimmelkäfer-Larven; Pinkys wurden nur wenige genommen. Am 1. Juni nahmen sie selbst Frostfutter aus dem Trog, wurden aber auch noch von ihren Eltern gefüttert.  Eine Woche später fraßen sie auch Lebendfutter selbst, und nach einer weiteren Woche fütterten ihre Eltern sie nicht mehr. Die DNA-Geschlechtsbestimmung ergab, dass es drei Weibchen und ein Männchen waren. Anfang August begann bei den Jungvögeln die Mauser des Großgefieders, eine Woche später auch bei den Altvögeln.

Auch den folgenden Winter verbrachten die Schwanzmeisen in der Freivoliere; die Temperaturen sanken im Februar bis auf -15 °C. Sie verzehrten jetzt auch viel geraspelte Walnüsse. Meist hielten sie sich verborgen und hatten sich dann wohl irgendwo zusammengekuschelt. Wenn gefüttert wurde, erschienen sie erst mit Verzögerung.

Ende Februar 2021 entfernte ich ein Männchen und ein Weibchen aus der Freivoliere. Bei den vier Verbliebenen fiel ab Ende März ein unruhiges Umherfliegen auf. Am 28. März wurde eine Begattung mit Flügelzittern des Männchens beobachtet, und die Vögel transportierten Nistmaterial. Sie nahmen auch Spinnweben, die man ihnen reichte. Das Nest wurde dieses Mal hoch oben in einem Ast des Chinesischen Wachholders errichtet; es war von unten sichtbar, aber nicht zugängig.

Als der Nestbau am 16. April beendet worden war, hörte auch das verstärkte Umherfliegen der vier Schwanzmeisen auf. Nur einmal, am 27. April, sah ich, dass ein bearbeiteter „Mehlwurm“ vom Weibchen eingetragen wurde. Danach wurde nie wieder eine Schwanzmeise am Nest beobachtet, obwohl ich darauf achtete.

Umso mehr war ich überrascht, als sich am 18. Mai zwei Jungvögel auf einem Ast zusammenkuschelten und von den Alten gefüttert wurden. In den vorangegangenen Wochen war ich davon ausgegangen, dass keine Jungen im Nest waren und hatte daher die anfangs noch betriebene Gabe von Frostfutter stark eingeschränkt. Auch die täglichen Rationen der Mehlkäfer-Larven waren vermindert worden, so dass diese den Vögeln nicht mehr den ganzen Tag zur Verfügung gestanden hatten. Es ist mir unklar, womit die Alten in dieser Zeit die beiden Jungen gefüttert hatten. Wenn die Schwarzkehl-Schwanzmeisen ihre etwas älteren Nestlinge wohl auch allein mit „Mehlwürmern“ ernähren können, erscheint es fraglich, dass dazu auch Fettfutter verwendet wird.

Die beiden Jungen aus der 2021er-Brut, die ich überhaupt nicht bemerkt hatte.

Doch bald erlebte ich eine neue Überraschung. Am 22. Mai wurde wieder Nistmaterial herumgetragen, und als ich fünf Tage später Federn in die Voliere gab, flogen nur das alte Männchen und eine seiner Töchter vom Vorjahr damit umher, aber nicht zum Nest, solange ich anwesend war.  Einmal sah ich dabei, wie das alte Weibchen seine Tochter, die offensichtlich seine Rivalin war, daran hindern wollte, Federn aufzunehmen.

Das Nest, auch diesmal hoch oben in horizontalen Ästen der kleineren Leyland-Zypresse, fand ich erst später und schützte es durch eine Abdeckung auf dem Dachgitter vor Überhitzung, vielleicht zu spät. Ich konnte nie beobachten, dass es benutzt wurde. Als ich es Mitte Juli heruntergeholt hatte, enthielt es zwei Eier, die keine Entwicklung zeigten.

Bei der ersten erfolgreichen Brut war das Nest gut versteckt angelegt gewesen, und die Brutvögel hatten den Neststandort offen angeflogen, um zu füttern, ohne dass der Beobachter das Nest sehen konnte. Im nächsten Jahr war das Nest gut zu sehen gewesen, aber als es fertig gebaut war, hatte ich, mit einer Ausnahme, keine Schwanzmeise mehr daran gesehen. Doch dann waren plötzlich die beiden Jungvögel ausgeflogen.  Die Schwarzkehl-Schwanzmeisen hatten offensichtlich während der Zeit des Eierlegens, der Bebrütung und der Pflege der Nestlinge vermieden, in das Nest einzuschlüpfen oder auch nur dem Nest nahe zu kommen, wenn ich zugegen war.

Und das betraf nicht nur die Elterntiere, sondern auch die beiden Töchter aus dem Vorjahr, die noch in der Voliere flogen. An dem anschließend heimlich gebauten neuen Nest, in dem es auch zur Eiablage gekommen war, hatte ich ebenfalls keine Vögel beobachten können. Wegen dieser Heimlichkeit ließ sich auch nicht feststellen, ob sich die beiden Töchter als „Helfer“ an der Fütterung der Nestlinge beteiligten, wie es von unserer einheimischen Schwanzmeise beschrieben ist.

Das Weibchen füttert einen Jungvogel

Die Farbe der Kopfplatte der Jungvögel und die Zeichnung von Kopf und Hals begannen sich schon bald nach dem Ausfliegen allmählich zu verändern. Die Kopfplatte war zunächst graubraun und wurde, von vorn nach hinten fortschreitend, rotbraun wie bei den Altvögeln. Die Kehle war erst weiß mit einer Kette Girlanden-artiger dunkler Flecken am unteren Rand, die später verschwanden. In der Mitte der Kehle erschien dann ein kleiner schwarzer Fleck, der sich vergrößerte, bis er die Größe wie bei den Eltern erreicht hatte und Jung- und Altvögel hier nicht mehr zu unterscheiden waren.

Die Jungvögel unterschieden somit von denen in der Nachzucht von Komac und Motyl (2009); diese hatten unmittelbar nach dem Ausfliegen eine weiße Kopfplatte, und ihnen fehlte das kastanienbraune Brustband.

Vergleich der Gefiederfärbung bei Jung- und Altvogel

Sozialleben

Wie bereits geschildert, folgte bei meinen Schwarzkehl-Schwanzmeisen 2021 in einem neu gebauten Nest eine zweite Brut mit zwei Eiern, die nicht gezeitigt wurden. Daran waren aber offenbar nicht beide Partner der ersten Brut beteiligt, sondern nur das Männchen zusammen mit einer Tochter aus dem Vorjahr. Dieses hatte wie auch ein weiteres Nachzucht-Weibchen dieses Paares seit seinem Schlupf in der Voliere gelebt.

Wie kann diese Verpaarung zustande gekommen sein? Nach Beobachtungen in Großbritannien (s. Bezzel, 1993) suchen die jungen Weibchen von A. caudata zeitig im Frühjahr junge Männchen in anderen Familientrupps. Die so gebildeten Paare besetzen ein Revier innerhalb des winterlichen Territoriums der Gruppe, der das Männchen angehörte. Dies dürfte bei A. concinnus ähnlich sein. In meiner Voliere hatte das Nachzucht-Weibchen dazu aber keine Möglichkeit und verpaarte sich stattdessen nach der erfolgreichen ersten Jahresbrut seiner Eltern mit dem einzigen Männchen in der Voliere, seinem Vater, und setzte sich dabei gegen seine mindestens vier Jahre alte Mutter durch. Möglicherweise besteht bei A. concinnus mit einer Gelegegröße von nur 4-5 Eiern eine verstärkte Neigung zu einer zweiten Jahresbrut, die bei A. caudata mit einer Gelegegröße von meist 8-12 Eiern kaum beobachtet wurde (s. Bezzel, 1993).

Meine Schwanzmeisen des kleinen Schwarmes, der sich in der Voliere gebildete hatte, wurden außerhalb der Brutzeit gewöhnlich gleichzeitig aktiv. Aber es fiel zeitweise auf, dass ein bestimmtes Mitglied der Gruppe bei Futterverabreichung regelmäßig erst verspätet erschien, ohne dass es einen Hinweis auf Erkrankung oder Feindseligkeit gab. Generell verhielten sich alle Schwarzkehl- Schwanzmeisen immer friedlich gegeneinander, und auch Streit mit anderen kleinen Vögeln wie den Maskengimpeln oder auch Goldalcippen, die gelegentlich mit ihnen die Voliere teilten, wurde nie beobachtet. Ein einjähriges Männchen, das zeitweilig mit einer männlichen Gelbbrust-Lasurmeise (Cyanistes f. flavipectus) zusammenlebte, versuchte dieser immer wieder die Mehlkäfer-Larve zu stehlen, den diese gerade bearbeitete.  Manchmal gelang ihr dies, aber meistens konnte die deutlich größere Lasurmeise die Larve festhalten oder sich rechtzeitig damit abwenden, ohne sich wehren zu müssen.

Ernährung

Über das täglich verabreichte Futter hinaus bot ich den Schwanzmeisen manchmal auch andere Futtermittel an, um Hinweise auf ihre Nahrung in der Natur zu erhalten und dadurch vielleicht auch ihre Ernährung in der Voliere verbessern zu können. So löste es bei den Schwanzmeisen eine hektische Aktivität aus, als ich ihnen im Frühjahr und Herbst Zweige der Traubenkirsche (Prunus padus) in die Voliere gab, deren Blattunterseiten mit sehr kleinen blassgelben Blattläusen besetzt waren, und auch die schwarzen Blattläuse vom Ampfer (Rumex spec.) verzehrten sie. Von einer sehr kleinen Ameisen­-Art fraßen sie sowohl die erwachsenen Tiere als auch die Brut.

Die jungen Schwarzkehl-Schwanzmeisen fraßen schwarze Blattläuse.

Auch an verschiedenen saftigen Früchten wie Birnen, Pflaumen, Gurken, Melonen und den Beeren der Felsenbirne (Amelanchier spec.) fraßen oder naschten sie gern, wobei meist zuerst der beim Aufschneiden abfließende Saft aufgenommen wurde.

Von Nüssen und ähnlichen Früchten erwiesen sich Wal- und Haselnüsse als am beliebtesten, gefolgt von Cashewkernen und schließlich Mandeln, aber auch Maronen und Bucheckern wurden gefressen. Voraussetzung ist natürlich die starke Zerkleinerung der Kerne; aber es wurde auch an in den Schalen verbliebenen Resten gepickt.

Dabei ergibt sich die Frage, inwieweit solche stark fetthaltigen Früchte zur natürlichen Nahrung der Art gehören, die weitgehend als reiner Insektenfresser angesehen wird. Allerdings nehmen auch unsere einheimischen Schwanzmeisen sehr gern das ihnen an den Futterstellen angebotene Fettfutter auf, besonders im Winter, aber mit Ausnahme der Brutzeit auch ganzjährig.

Adulter Vogel frisst ebenso schwarze Blattläuse

Die Schwarzkehl-Schwanzmeisen in meiner Voliere lehnten ebenfalls während der Brutzeit die geraspelten Nüsse ab. Die Aufnahme dieses stark fetthaltigen Futters kann sicherlich diesen winzigen Vögeln in der Natur bei niedrigen Temperaturen, wenn ihnen auch noch Schnee und Eis den Zugang zu ihrer Insektennahrung erschweren, das Überleben ermöglichen. Mit ihren schwachen Schnäbelchen haben sie aber keinen Zugang zu diesen Früchten und sind auf kräftigere Tiere wie Hörnchen, Häher und Spechte angewiesen, die diese öffnen und zerkleinern können.

Hans Löhrl (1977) berichtete, dass Tannenmeisen (Periparus ater) im Hochgebirge planmäßig Orte aufsuchen, wo Nagetiere oder Tannenhäher (Nucifraga caryocatactes) Zirbelzapfen entleert und die Zirbelnüsschen geöffnet haben; in den Resten finden sie regelmäßig verwertbare Stückchen. Dies dürfte auch den Schwanzmeisen möglich sein, deren Schwärme täglich ihr Territorium absuchen.

Überwinterung

In in einer Ecke im überdachten Teil der Voliere brachte ich Äste und Reisig ein, um den Schwanzmeisen im Winter Schutz vor kalten Winden zu bieten. Sie hielten sich hier oft auf, aber es blieb unklar, ob sie diese auch zum Ruhen und Schlafen nutzten. In Nisthöhlen und alten Brutnestern übernachteten sie offenbar nicht. Das gesellige Zusammensitzen schützt sie weitgehend vor zu starken Wärmeverlusten; Einzeltiere haben es da wohl schwerer. Von den geraspelten Nüssen nahmen sie in der kalten Jahreszeit viel auf, und mit dem ständig verabreichten Fettfutter stand ihnen ebenfalls ein fettreiches Futter zur Deckung ihres erhöhten Nährstoffbedarfs zur Verfügung.

Schlussbetrachtung

Die Schwarzkehl-Schwanzmeisen erwiesen sich als angenehme, hübsche, verträgliche und vor allem wegen ihrer Brutbiologie sehr interessante kleine Vögel. Sie hielten sich gut in der Freivoliere und schritten in zwei Jahren erfolgreich zur Brut. Bei der Nachzucht in den Volieren sollte ihr Sozialleben besonders beachtet werden. Dieses erlaubt, den Nachwuchs auch im Folgejahr in der Voliere zu belassen und sich so ganzjährig an dieser munteren Gesellschaft zu erfreuen. Allerdings ist zu bedenken, dass die Söhne auf Grund ihres sehr ähnlichen Familiengeruchs möglicherweise einen negativen Einfluss auf das Brutverhalten nahe verwandter Weibchen haben können, wenn sie in Geruchsnähe zusammen gehalten werden (s. Stäb, 2021).

 

Literatur

Bezzel, E.  (1993): Kompendium der Vögel Mitteleuropas. Passeres – Singvögel. Wiesbaden: Aula-Verlag.

Harrap, S. & Quinn, D. (1996): Tits, nuthatches and treecreepers. Christopher Helm Ltd.,

London.

Hudde, H. (1993):  Aegithalos caudatus – Schwanzmeise. In: Glutz von Glotzheim, Urs.N. (Hrsg.). Handbuch der Vögel Mitteleuropas. Bd. 13/I. Wiesbaden.

Komac, Melanie & Motyl, Th. (2009): Die Meise mit der Räubermaske – Haltung und Zucht von Schwarzkehl-Schwanzmeisen. Gefiederte Welt 133 (2): 20-25. Hier auch Hinweise auf weitere ältere Literatur zur Schwarzkehl-Schwanzmeise.

Löhrl, H. (1977): Die Tannenmeise. Wittenberg: A. Ziemsen.

Stäb, F. (2021): Geruchs-orientierte Partnerwahl bei Vögeln und ihre Relevanz für die arterhaltende Vogelzucht. In: Lantermann, W. & Asmus, J. (Hrsg.), Wildvogelhaltung (S. 303-320). Springer-Verlag GmbH Deutschland.

Wittig, W. (2021): Familie: Paridae – Eigentliche Meisen (und andere „Meisen“ arten). In: Lantermann, W. & Asmus, J. (Hrsg.), Wildvogelhaltung (S. 855-862). Springer-Verlag GmbH Deutschland.

Erschienen ist dieser Bericht in der Zeitschrift „Gefiederte Welt“  Heft 9/2022 (Seiten 14 – 18)

Ergänzung des Autors zum Beitrag „Schwarzkehl-Schwanzmeisen – Erfahrungen bei der Nachzucht“ von Dr. Walter Wittig

Auch im Jahre 2022 brütete das Zuchtpaar wieder mit Erfolg, zum dritten Mal. Das Nest stand wieder hoch oben in der Zypresse, direkt unter dem Dachdraht. Drei Jungvögel flogen aus.

Im Dezember 2021 war in der Kellervoliere ein sehr interessantes Verhalten der Schwarzkehl-Schwanzmeisen beobachtet worden. Dort lebte ein weibliches Nachzuchttier vom vergangenen Jahr. Unmittelbar nachdem ein weiblicher Jungvogel aus dem laufenden Jahr zugesetzt worden war, stellten sich die beiden, auf einem Ast sitzend, unmittelbar gegenüber auf, Brust gegen Brust gerichtet, mit erhobenem Kopf und gesenktem Schwanz, und pickten sich dann eine kurze Weile immer wieder gegenseitig ins Gesicht oder auf das Gesicht zu; es war nicht zu erkennen, ob sie sich dabei berührten. Gleichzeitig stießen beide relativ laute piepende Rufe aus, mit deutlich sichtbarer Bewegung der Kehlfedern. Dieser Vorgang wiederholte sich mehrmals, solange ich zugegen war. Er wurde meist einfach abgebrochen und die Vögel trennten sich, aber manchmal schien es dabei eine Auseinandersetzung zu geben, und einer der beiden wurde beim Abfliegen ein kurzes Stück von dem anderen verfolgt. Bald saßen sie aber wieder an anderer Stelle in gleicher Weise zusammen. Am nächsten Tag wurden diese Aktionen nicht mehr gesehen, und beide Vögel vertrugen sich.

Wie sind diese Beobachtungen zu deuten? Die beiden Weibchen stammten vom gleichen Elternpaar ab, allerdings aus verschiedenen Jahren. Sie hatten also den gleichen individuellen Geruch des Immunsystems (MHC-Geruch, s. Stäb 2021), hatten sich aber in ihrer Herkunftsfamilie nicht kennengelernt. Das zugesetzte Tier hatte mehrere Tage vorher in einer Zimmervoliere gelebt, die mit einem Abstand von etwa 12 cm neben die Kellervoliere gestellt worden war. Sie kannten sich also dadurch vom Äußeren und von der Stimme her. Erst als sie zusammengesetzt worden waren und sich nahekommen konnten, hatten sie wohl Gelegenheit, gegenseitig ihren MHC-Geruch wahrzunehmen, vielleicht verstärkt durch die beobachteten Interaktionen mit den Schnäbeln und die Atembewegungen bei der Stimmabgabe. Bei diesem Vorgang könnte es sich um ein Aufnahmeritual in eine Familiengruppe oder um ein Rangordnungssritual innerhalb dieser gehandelt haben.

Anders als die Meisen (Paridae) können die Schwanzmeisen (Aegithalidae) ihre Nahrung nicht mit einem oder beiden Füßen auf der Unterlage festklammern und dort hämmernd mit dem Schnabel bearbeiten. Aber sie haben die Fähigkeit, ein Nahrungspartikel mit einem Fuß zu ergreifen und wie in einer Hand hochzuheben. Dies konnte ich zweimal beobachten, als eine meiner Schwarzkehl-Schwanzmeisen mit einem Fuß an einem Zweig hing und in dem anderen ein kleines Stückchen Walnuss hielt, an dem sie mit dem Schnabel knabberte.

Da es sehr wenige Berichte über das Leben der Schwarzkehl-Schwanzmeisen gibt, sind einige Angaben in einer Publikation von Bedeutung, die Beobachtungen an dieser Art in einem Schutzgebiet in der Provinz Henan in Zentralchina im Übergangsgebiet zwischen der subtropischen und der gemäßigten Temperaturzone betreffen (Li et al.): Jährlich eine Brut; Eingangsloch an der Seite des Nestes nahe der Decke; beobachteter Mindestabstand der Nester 10 m; Beginn der Eiablage Ende Februar bis Mitte März; Gelegegröße 5 bis 8, am häufigsten 7; Bebrütung durch beide Geschlechter; Schlupf nach etwa 13 Tagen Bebrütung; 2,6 % der Eier schlüpften nicht; flügge nach etwa 15 Tagen; vor dem Ausfliegen starben 1,6 % der Nestlinge (ohne Berücksichtigung der Ausfälle durch Raubtiere einschließlich Schlangen); Bruterfolg 33,6 %; meist nur ein „Helfervogel“ je Nest; alle bestätigten 11 Helfer an 9 Nestern waren männlich.

Literatur

Li J., Lin S., Wang Y., Xi B., und Zhang Z., (2012). Breeding biology of two sympatric Aegithalos tits with helpers at the nest. J. Ornithol. 153:273-283.

Stäb, F. (2021): Geruchs-orientierte Partnerwahl bei Vögeln und ihre Relevanz für die arterhaltende Vogelzucht. In: Lantermann, W. & Asmus, J. (Hrsg.), Wildvogelhaltung (S. 303-320). Springer-Verlag GmbH Deutschland.