28 Jul, 2017

Sandregenpfeifer

Der Sandregenpfeifer

Charadrius hiaticula (Linné, 1758)

(Halsbandregenpfeifer)

Text und Fotos: T. Ratjen

Systematik:
Ordnung: Charadriiformes – Watvögel
Unter Ordnungen: Charadrii – Regenpfeiferartige
Familie: Charadriidae – Regenpfeifer
Gattung: Charadrius
Unterarten: Charadrius hiaticula hiaticula; Charadrius hiaticula semipalmatus, teilweise wird Charadrius hiaticula psammmodroma und Charadrius hiaticula tundrae gelistet.

Namen:
Englisch: Common Ringed Plover; Ringed Plover
Französisch: Grand Gravelot; Pluvier grand-Gravelot
Italienisch: Corriere grosso
Holländisch: Bontbekplevier
Spanisch: Chorlitejo Grande

Verbreitung:

Holarktisch, in der Tundren-, der borealen und gemäßigten Zone. Alaska und Kanada von der Beaufort-See, der Banks- und Victoria-Insel, der Boothia-Halbinsel und der Ellesmere-Insel südwärts bis zur Königin-Charlotte-Insel, Nord-Britisch Columbia, Jamesbai, New Brunswick und Nova Scotia. Grönland, Island, Färöer, Spitzbergen, Bäreninsel, Nowaja Semlja und die Neusibirischen Inseln und von der Nordküste Eurasiens südwärts bis zu den Britischen Inseln, zur Südküste der Nord- und Ostsee, bis ins Westsibirische Tiefland und zum Anadyr-Golf.
Die bei uns vorkommende NF ist Kurz- oder Mittel- bis Weitstreckenzieher, der die südlichen Teile des Brutareals nicht vollständig räumt, andererseits aber die westliche Sahara offenbar nur in sehr kleiner Zahl überquert. Das Winterquartier der Nominatform erstreckt sich von den Britischen Inseln südwärts über Frankreich und die Iberische Halbinsel bis NW-Afrika.

Bestand:

Der europäische Brutbestand wird zu Beginn des 21. Jahrhunderts auf 120.000 bis 220.000 Brutpaare geschätzt. Länder mit mehr als 10.000 Brutpaaren sind unter anderem Grönland, Island, Norwegen, Russland und Schweden. An der Küste und den binnenländischen Tiefebenen von Belgien, Niederlande, Deutschland und Polen kommen insgesamt etwa 1.800 bis 2.600 Brutpaare vor.
Der Sandregenpfeifer gilt in Deutschland als vom Aussterben bedroht und ist in der Roten Liste in Kategorie 1 gelistet. Sandregenpfeifer gelten außerdem als eine der Arten, bei denen die Klimaerwärmung sich besonders deutlich auf die Verbreitung auswirken wird. Ein Forschungsteam, das im Auftrag der britischen Umweltbehörde und der RSPB (dt. Königliche Gesellschaft für Vogelschutz – Europas größte Organisation, die sich um den Schutz von Wildvögeln kümmert) die zukünftige Verbreitungsentwicklung von europäischen Brutvögeln auf Basis von Klimamodellen untersuchte, geht davon aus, dass bis zum Ende des 21. Jahrhunderts zwei Drittel des aktuellen Verbreitungsgebietes für diese Art keine geeigneten Lebensräume mehr bieten. Das gilt unter anderem für die Brutgebiete in Polen, den baltischen Staaten, dem südliche Teil Großbritanniens und Fennoskandinaviens sowie der Küste Frankreichs und der Nordsee. Im Norden Europas bieten auf Grund der Klimaerwärmung zwar unter anderem das Franz Josef Land neue Verbreitungsmöglichkeiten. Diese Arealausweitung im Norden kann jedoch die Arealverluste im Süden nicht kompensieren.

Beschreibung:

Länge 18 bis 20 cm. Ad. Jahreskleid Männchen: Eine schwarze (manchmal braunschwarze), nur von einem weißen Stirnband unterbrochene Gesichtsmaske zieht sich von der Oberschnabelbasis in einem breiten Band bis in die Ohrgegend, bedeckt den vor und über der vorderen Augenhälfte gelegenen Teil der Stirn und schließt das Auge auch nach oben mit einem schmalen schwarzen Saum ein. Im Gegensatz zu den meisten Flußregenpfeifer-Brutkleidern schließt das Sandbraun von Scheitel und Nacken unmittelbar an das schwarze Stirnband an. Der beim Flußregenpfeifer durchgehende weiße Überaugenstreifen beginnt beim Sandregenpfeifer häufig erst über der hinteren Augenhälfte. Kinn, Kehle und ein ringsum geschlossener Halsring weiß. Dahinter ein auf der Vorderbrust individuell unterschiedlich breites schwarzes Kropfband, das sich (stetig schmaler werdend) auf dem Vorderrücken schließt. Rücken, Bürzel, Oberschwanzdecken, Schulterfedern, Ellbogenfedern, Kleine und Mittlere Oberflügeldecken warm sandbraun, Unterseite weiß. Zentrales Steuerfederpaar warm sandbraun mit dunklem Spitzenteil, Steuerfeder 6 weiß, Steuerfeder 5 mit weißer Außen- und vorwiegend weißer Innenfahne, die restlichen Steuerfedern wie 1, aber mit mehr oder weniger breitem weißem Spitzenteil. Handschwingen dunkelbraun mit hellerer Innenfahne. Armschwingen weiß, die Braunfärbung im Spitzenteil der äußeren reduziert sich mehr und mehr auf die Außenfahne und fehlt auf den innersten vollständig. Daumenfittich und Große Handdecken dunkelbraun mit nach innen breiter werdendem weißem Spitzensaum. Große Armdecken sandbraun mit breitem weißem Spitzensaum. Achselfedern und Unterflügeldecken weiß. Ad. Jahreskleid Weibchen: Wie ad. Jahreskleid Männchen, Wange (oft ganze Gesichtsmaske) aber nicht schwarz, sondern braun, manchmal haben allerdings auch 0,1 sehr dunkle oder sogar schwarzbräunliche Wangen. Weißer Stirnfleck gewöhnlich größer und gegenüber der schwarzen Gesichtsmaske weniger kontrastreich begrenzt. Ausdehnung und Färbung des Kropfbandes schwanken bei Männchen und Weibchen individuell sehr stark; braune, fast unterbrochene Kropfbänder kommen aber nur bei Weibchen vor. Jugendkleid: Wie ad. Jahreskleid, aber ohne schwarzweiße Gesichtsmaske und ohne schwarzes Kropfband. Die bei ad. schwarze Gesichtsmaske ist im Jugendkleid braun wie der Scheitel oder wenig dunkler; Stirn und Überaugenfleck sind weißlich beige, nicht rein weiß. Das Kropfband ist dunkelbraun, auf der Unterseite beige bis hellbraun und durch breite helle Federsäume zusätzlich verengt. Schnabel der frischgeschlüpften Jungvögel schwarz. Schnabel: Juv. mit orangefarbenem Fleck an der Schnabelwurzel, bei ad. zur Brutzeit orange mit etwa 7–8 mm langer schwarzer Spitze, im Herbst schwarz mit kleinem orangefarbenem Fleck an der Schnabelwurzel. Füße bei frischgeschlüpften Jungen an Vorder- und Oberseite bräunlich mit bläulichem Anflug, an Hinter- und Unterseite gelblich braun, bei juv. bräunlichrot. Bei ad. zur Brutzeit orangerot, im Herbst bräunlichrot. Krallen schwarz. Augen: Iris braunschwarz. Nackte Hautstellen: Augenring bei juv. dunkelgrau; zur Brutzeit bei Männchen ad. gelb (oder sogar orangegelb), bei Weibchen ad. grau, bisweilen mit wenig Gelb in den Augenwinkeln. Bei ad. Herbstvögeln schwarz. Die zuverlässigsten Unterscheidungsmerkmale von Männchen und Weibchen im ad. Jahreskleid sind die Färbung der Wangen und der nackten Augenringe.

Biotop:

Zur Brutzeit bewohnt der Sandregenpfeifer den Bereich um die mittlere Hochwasserlinie auf Sand-, Klei oder Kiesböden flacher Meeresküsten, Dünenränder, Grabensenken am Fuße der Seedeiche, trockene kurzgrasige Strandwiesen, im Binnenland entsprechende See- und Flussufer, gelegentlich auch natürliche oder künstliche Sandablagerungen, Spülflächen, sandige Äcker (Raps, Kartoffel, Getreide, Brachland) oder Heideflächen, abgelassene Fischteiche, Kiesgruben, Braunkohlegruben und ähnliches, manchmal mehrere 100 m vom nächsten Gewässer entfernt. Bevorzugter Nahrungsbiotop sind relativ harte Böden im selben Bereich, vor allem das bei Hochwasser ganz überschwemmte Watt im Übergangsbereich zwischen Zostera-Wiesen und Quellerzone, aber auch Salzwiesen. Im Gegensatz zu anderen Watt-Limikolen kann die Art als Augentier leicht in andere Biotope ausweichen. Im Binnenland halten sich Durchzügler an sandige Ufer, frische und länger trockenliegende Schlick- oder Schlammflächen von Staustufen, Teichen, Klärteichen usw., nach starken Regenfällen sogar an die umliegenden Äcker.
Die Voliere sollte Sand- und Kiesflächen, einige größere Steine und Stubben und nur eine spärliche Bepflanzung bieten, Die Vögel sind winterhart und können ganzjährig in einer Aussenvoliere verbleiben. Weiterhin sind sie absolut friedlich anderen Arten gegenüber. Mein Paar musste ich aber in den Wintermonaten trennen da sich das Weibchen sehr aggressiv gegenüber dem Männchen verhielt.

Nahrung:

Kleine bis sehr kleine, größtenteils bewegliche Beutetiere. Insekten bilden offenbar die Hauptnahrung: Laufkäfer, Wassertreter, Schwimmkäfer, Aaskäfer, Kurzflügler, Schnellkäfer und Wasserkäfer. Pillendreher, Rüsselkäfer, Ringelwürmer, Muscheln und Schnecken bilden mindestens eine wichtige Ersatznahrung. Andere Beutetiergruppen wie Crustaceen, Tausendfüßer, Spinnentiere und kleine Stichlinge sowie Vegetabilien (in vielen Mägen, aber immer in kleinen Mengen) scheinen gewöhnlich eine untergeordnete Rolle zu spielen.
Bei der Ernährung in der Volierenhaltung reiche ich ein gutes Weichfutter und Lebendfutter der Fa. Muchaterra. An Lebendfutter gibt es verschieden große Mehlwürmer (sehr gut ernährt und stets leicht mit Olivenöl und Lebertran benetzt und vitaminisiert), Heimchen, Buffalos, Pinkies und Lichtfallenbeute. Pellets für Limikolen (z. B. Lundi micro) werden nicht beachtet wenn dieses Futter zur Verfügung stand.

Fortpflanzung:

Das Erlangen der Geschlechtsreife gegen Ende des 1. Lebensjahres dürfte die Regel sein. Die Partner führen eine Saisonehe mit ausgeprägter Gattentreue. Die Balz wird schon bei ziehenden Vögeln (z. T. bereits in Afrika) beobachtet. Die Ankunft erfolgt sowohl verpaart wie einzeln. Getrennter Zug und erneutes Zusammenfinden nach Ankunft am Brutplatz dürfte häufiger sein. Die Beteiligung eines 3.Vogels bei der Bebrütung und Aufzucht der Jungen ist beobachtet worden. Obwohl sich die Vögel z. T. gleich nach ihrer Ankunft im späteren Territorium aufhalten, wächst die Revierbindung erst nach und nach. Vor allem Erstankömmlinge halten sich zunächst besonders an die besten Nahrungsbiotope und weichen bei Witterungsrückschlägen mitunter vorübergehend aus. Bei der Reviergründung kann das Männchen oder das Weibchen den Ausschlag geben, nachher sind beide Geschlechter gleich reviertreu. Bei Neuverpaarung entscheidet sich das Paar für das alte Revier des einen oder anderen Partners. Die Eier werden in eine in lockeres Substrat (meist Sand) gedrehte Mulde, auf Kies- oder Felsunterlage oder in kurze, die Sicht freigebende Vegetation gelegt. An der Küste liegt das Nest zwischen Spülsaum und Strandnelkenrasen, wobei dem Bedürfnis nach Tarnung und Orientierungshilfen entsprechend Kies- und Muschelstrand bevorzugt werden. Auf Wangerooge ist auch das Schotterbett der Inselbahn immer wieder zur Eiablage benützt worden. Im Binnenland sind Nester an Kahl- bzw. Kümmerstellen in kurzem Gras, in Kartoffel- und Getreideäckern, auf Schlackehaufen, Auswürfen von Kaninchenbauen usw. nicht selten. Die in lockeres Substrat gedrehten flachen Mulden werden alle an bestimmten Stellen (z.B. Steingruppen, einzelnen Grasbüscheln, Geröllfeldgrenzen) angelegt. Durch Anbringen solcher „Marken“ (in Nestnähe genügt ein Gegenstand von wenigen cm Durchmesser, Großmarken dienen überdies zur Orientierung aus größerer Entfernung) können Sandregenpfeifer auf sonst gemiedenen völlig ebenen, gliederungsarmen Sandstränden zum Scheinnisten veranlasst werden. Durch Schleudern des sich vom Gelege entfernenden Vogels und Verlegen (auf sich selbst Zurückwerfen mit lang vorgestrecktem Schnabel erreichbarer Fremdkörper) des Brüters gelangen im Laufe der Zeit Steinchen, Muschelfragmente, Pflanzenteilchen u. a. aus einem Umkreis von 2–3 m in die zur Eiablage ausgewählte, im Durchmesser 8–12 cm messende Mulde. Wenn Sandverwehungen ausbleiben, können die Eier schließlich auf einer mehr oder weniger dicken Schicht kleiner Materialien liegen. Die Eier sind blaßbräunlich-sandfarben. Kleine, rundliche, scharf begrenzte schwarze und einige graue Flecke und Punkte sind fast gleichmäßig über die ganze Oberfläche verteilt und nur am stumpfen Ende etwas gehäuft. Die Gelegegröße beträgt gewöhnlich 4, selten 3 und ausnahmsweise 5 Eier. Zusammenlegen und Verlegen in artfremde Nester ist nachgewiesen worden und erklärt wohl auch 5er-Gelege. Wenn Sandregenpfeifer zu Flußregenpfeifern hinzulegen, nehmen sie das Mischgelege gewöhnlich in Besitz. Die Hauptlegezeit beginnt auf den Britischen Inseln Ende April, in Mitteleuropa in der 1.Hälfte Mai. Zweitbruten sind in Südengland, Frankreich, den Niederlanden und der Bundesrepublik Deutschland häufig. Das l. Ei der 2.Brut wird gewöhnlich schon einige Tage vor dem Flüggewerden der Jungen der 1. Brut gelegt, während der Eiablage führt das Männchen allein. Bei Verlust des 1.Geleges sind Nachgelege die Regel. Die Brutdauer beträgt 22–26 Tage, der Legeintervall schwankt zwischen 24 und 48 Stunden; die Ablage eines 4er-Geleges bedarf in der Regel 4–6 Tage. Das Weibchen schützt das unvollständige Gelege vor Regen, Hagel, nächtlicher Kälte und setzt sich sporadisch auch tagsüber für kurze Zeit darauf. Die regelmäßige Bebrütung beginnt aber erst nach Ablage des letzten, manchmal vielleicht schon des vorletzten Eies. Vom 19. –21. (24.) Tag nach Ablage des letzten Eies an zeigen sich die ersten Risse. 2 Tage später sind die Rufe der Küken aus dem Ei zu hören. Die Schlüpfintervalle variieren zwischen 5–25 (max. 44) Stunden. In der Regel sind die Jungen 21–23 Tage nach dem Schlüpfen flügge. Junge der ersten Brut können sich auch nach dem Flüggewerden noch einige Zeit führen lassen, werden jedoch früher oder später von den abermals brütenden Eltern vertrieben, dann sollte man sie aus der Voliere entfernen.

Literaturquelle:
Urs N. Glotz von Blotzheim „Handbuch der Vögel Mitteleuropas“ Vogelzug Verlag