Rotschwanzweber
Rotschwanzweber Histurgops ruficauda
Text und Fotos: Bernd Simon
Beitragsfoto: Peter Kaufmann
Die Arten aus der Familie der Weber (Ploceidae) werden den Körnerfressern zugeordnet, da die Tiere einen Muskelmagen und keinen Drüsenmagen besitzen.
Einige Arten ernähren sich aber überwiegend wie Weichfresser. Hierzu zählen u.a. Starweber (Dinemellia dinemelli) und Rotschwanzweber, über deren Haltung daher hier berichtet wird.
Rotschwanzweber habe ich von 2006 bis 2014 gehalten. Am Ende des Sommers 2014 gab ich das letzte Paar ab.
Allgemein:
Über diese Vögel gibt es recht wenig Literatur. Dr. F. Robiller hat im „Lexikon der Vogelpflege” einige Informationen gegeben. Auch H. Bielfeld gab eine sehr kurze Beschreibung in seinem, beim Ulmer-Verlag erschienenen Buch „Weber, Witwen, Sperlinge”. Die dort dargestellten allgemeinen Ausführungen über die Haltung von Webern und die Voraussetzungen für die Weberzucht können als notwendig für die Pflege der Rotschwanzweber unter unseren normalen Volierenbedingungen angesehen werden. Sucht man im Internet, so “ergoogelt” man Stichworte, Registereintragungen, Reisebeschreibungen mit Tiersichtungen und in den seltensten Fällen auch kurze Berichte über Beobachtungen von Lebensweisen in ihrer Heimat.
In der Gattung Histurgops gibt es nur die eine Art Histurgops ruficauda. Die Beschreibung der Kennzeichen erspar ich mir, da ich die abgebildeten Fotos für aussagefähig genug halte. Robiller schreibt von einer geschlechtsspezifischen Färbung, wonach die Weibchen vorwiegend graubraun seien. Dies kann ich nicht bestätigen. Bei meinen Tieren ließen sich absolut keine Unterschiede erkennen.
Die Rotschwanzweber sind in ihrer Färbung unspektakuläre, unauffällige Vögel.
Sie singen nicht und ihre häufigen, fast ständigen Rufe “skwiu”, “schwie-zie”, “zdiä” u.ä. können auf die Dauer die Nerven strapazieren. Sie sind also nicht gerade attraktiv, was vielleicht die seltene Haltung dieser Art erklärt. Hinzu kommt, dass diese Vogelart mit ihren 22 cm Körperlänge zu den größeren Webern gehört. Ihre Voliere sollte, wie bei allen Webern, so groß wie möglich sein. Die dokumentierte deutsche Erstzucht erfolgte erst 1992.
Herkunft:
In ihrer Heimat Tansania sind die Rotschwanzweber sehr häufig vorkommende Vögel. Sie bewohnen dort offenes, mit Akazien bewaldetes Gelände und leben gesellig in Gruppen von 20 – 100 Vögeln zusammen. Kolonieartig bauen sie in den Bäumen ihre Nester.
Unterbringung:
Im April 2006 kaufte ich bei einem Händler vier Rotschwanzweber. Diese Tiere setzte ich, zeitgleich mit einem älteren Paar Seidenstare (Spodiopsar sericeus), in eine Voliere ohne einen Innenraum. Die Maße von drei Metern Breite, sechs Metern Länge und zwei Metern Höhe hielt ich für zunächst ausreichend. Die Rückwand, sowie zwei Meter der Seitenwand zur angrenzenden Voliere sind verkleidet. Zwei Meter der Voliere sind überdacht. Bestückt ist sie mit einem alten hohlen Stück Lindenstamm, Ästen einer Esche und einem dicken, gespannten dicken Seil. Auf dem naturbelassenen Boden wachsen einzelne Weidelgrassoden.
Fütterung:
Rotschwanzweber sind “Gemischtköstler”, sollten aber doch zu den Weichfressern gezählt werden. Neben Weichfutter brauchen sie auch Sämereien. Ihr Futter bei mir bestand aus “Claus Fett-Alleinfutter Typ III (braun)”, “Orlux Insect patee premium” und aus einem reichhaltigen Fasanenfutter und einem Waldvogelfutter zu gleichen Teilen, aber nicht vermischt. Mehlwürmer streute ich zweimal am Tag in die Voliere. Insekten jeglicher Art wurden erbeutet, was jedoch erstaunt, da die Tiere nicht sonderlich flink sind. Ameisen wurden eindeutig nicht gemocht und daher verschmäht. Obst wurde zwar probiert, aber nicht gern gefressen.
Geschehen:
Erfreut vom Verhalten der Vögel und von der Tatsache ihres Zusammenlebens in größeren Gruppen in der Freiheit, entschloss ich mich, noch einige Tiere zu kaufen. Da bereits vom Exportstopp die Rede war, sah ich dies als zunächst letzte Chance, solche Vögel zu bekommen. Die zwei letzten Rotschwanzweber des Händlers bekam ich Anfang Mai 2006, etwa vierzehn Tage nach dem ersten Kauf. Mir war schon klar, dass die Größe meiner Voliere absolut nicht ausreichend war. Trotzdem setzte ich diese Tiere ohne Bedenken zu den Anderen, zumal sie aus derselben importierten Gruppe stammten wie die Vorherigen. Ich hielt das Gezeter und das häufige Anfliegen der Neuankömmlinge, was überhaupt nicht aggressiv wirkte, für ein Begrüßungsritual und die sofortige typische Futtersuche der Neuen (was ich etwa eine halbe Stunde beobachtete) für gute Zeichen einer guten Ankunft. Das war ein Fehler. Nach etwa weiteren dreißig Minuten, in denen ich die Tiere nicht beobachtete, fand ich die Neuzugänge tot am Boden.
Es blieb also bei dem besagten Volierenbesatz von vier Rotschwanzwebern und zwei Seidenstaren, die übrigens niemals attackiert wurden.
Da ich keine Selektion, also gezielte Auslese oder Anpaarung, unternahm, kann in diesem Fall nicht von Zucht geredet werden. Es handelt sich also um Vermehrung.
Bei den von mir erworbenen Vögeln war mir die Geschlechterverteilung nicht bekannt. Mit dem Tag des Einsetzens in die Voliere begannen die Weber mit dem Aufsammeln und Umhertragen von kleinen Zweigen und Grashalmen. An Hand von Fotos im Internet, auf denen Rotschwanzwebernester abgebildet waren, brachte ich Nestmaterial in die Voliere, welches dem auf den Fotos entsprechen könnte. Dies waren lange trockene Gräser, die aus dem Vorjahr stehen geblieben waren, sowie frische Binsenhalme und Schilfblätter. Auch Stroh und Heu gab ich dazu. An verschiedenen Gabelungen der Äste und den Kreuzungen des Seiles wurden Bauversuche unternommen. Etliche “Rohbauten” fielen herunter. Eines Tages begannen alle vier Tiere eine Astgabel, direkt an der Außenseite der Voliere, zu bebauen. Es hatte den Anschein, als würden die Arbeiten mit einem Mal koordiniert erfolgen. Aus den Gräsern wurde erst ein Ring gesteckt. Dann wurde rundherum gefädelt, bis schließlich das Gebilde fertig war. Es hatte einen Eingang.
Bei diesen Arbeiten war es anfangs so, dass alle vier Vögel Material brachten und verbauten. Später, als der “Rohbau” fertig war, schien es mir, als würden zwei Tiere abwechselnd, also jeweils eines, die Feinarbeiten (das verweben) verrichten. Die Anderen schafften das Material heran und steckten es nur einfach fest. In dieser Phase wurde auch schon ein nächster Nestbau begonnen, der ähnlich ablief. Mir fiel auf, dass die Vögel lieber die von mir hingestellten (inzwischen frische), langen Gräser nahmen. Liegendes Material war zweite Wahl. Geknicktes Heu und Stroh wurde gar nicht verwendet.
Interessant war auch der Tagesrhythmus bei der Verteilung von Aktivitäten und Pausen. Nach ca. halb- bis dreiviertelstündigem Nestbau gab es eine Gefiederpflege von fünf bis zehn Minuten. Jeder putzte sich. Gegenseitige Gefiederpflege hatte ich nicht gesehen. Etwa eine halbe Stunde wurde, mit gelegentlichem Kontaktpiepsen, gedöst oder geschlafen. Nach dem Erwachen gab es wieder eine Gefiederpflege von knapp fünf Minuten, bevor es wieder ans Bauen ging. Gefressen und getrunken wurde während der “Arbeitszeit” meistens zu zweit. Gebadet wurde sehr selten.
Insgesamt muss man, nicht nur aus unserem menschlichen Empfinden, sondern auch im Vergleich mit dem Nestbau anderer Vogelarten, die Aktivitäten meiner Rotschwanzweber-”Baubrigade” als recht uneffektiv bezeichnen. Es schien, als hätten sie alle Zeit der Welt zur Materialauswahl. Nichts geschah in Eile. Viele Gräser wurden gedreht und gewendet, umhergetragen, fallengelassen, eingebaut und ausgebaut.
Vom 23. Juni an war ein Weber häufiger und länger im inzwischen fertiggestellten Nest. Ab dem 25. Juni erschien dieser Vogel nur noch nach einem grellen Ruf der anderen Insassen. Ab diesem Moment war zu vermuten, dass gebrütet wurde. Die Anderen waren mit dem nächsten Bau beschäftigt und einer versorgte zwischendurch das Tier im Nest mit Futter. Vom 11. Juli an waren wieder alle vier Vögel zu sehen. Am 15. Juli waren die ersten leisen Bettellaute aus dem Nest zu hören. Somit war also klar, dass ich zumindest ein Weibchen besaß, welches gebrütet hat. Alle vier Weber flogen fortan mit Futter ans Nest und verschwanden darin. Es war immer jeweils ein Vogel im Nest zur Futterübergabe. Diese Tätigkeit wurde in den Tagesrhythmus des immerwährenden Nestbaues mit eingegliedert. Ab dem 25. Juli war klar zu hören, dass nur ein Jungvogel bettelte.
Am Morgen des 04. August verließ dieser Jungvogel das Nest. Sein Gefieder zeigte noch nicht die intensiven Sprenkel wie das der Alttiere. Der Schnabel war hell und nicht dunkel wie bei den Alten. Die Augen waren dunkelbraun bis schwarz. Alttiere haben helle, graublaue Augen.
Etwa eine Woche nach dem Ausfliegen des Jungvogels fiel ein Tier der Gruppe aus unerfindlichen Gründen in Ungnade bei den Anderen. Es wurde so attackiert, dass ich es schnell umsetzen musste. Trotzdem starb dieses Tier an den Folgen der Verletzungen. Somit blieb die Gruppe bei vier Vögeln.
Der junge Vogel fing im Alter von drei Monaten an, gelegentlich einzelne Halme umher zu tragen. Nach elf Monaten hatte er die gleiche Augenfarbe wie die Alttiere und nach zwölf Monaten war auch der Schnabel fast vollständig umgefärbt.
Über den Winter brachte ich die Rotschwanzweber in einer etwas kleineren Voliere mit einem angrenzenden Innenraum unter. Es war keine Veränderung der Aktivität der Tiere auf Grund unserer winterlichen Bedingungen zu erkennen. Ich musste die Tiere weiterhin mit Nestmaterial versorgen. Sie bauten also unablässig.
Im März 2007 wurden die Tiere wieder in ihre alte Voliere gesetzt. Vorher hatte ich etwa dreißig Zentimeter unter der Volierendecke an drei Stellen (zwei davon unter der Überdachung) Nisthilfen aufgehängt. Diese bestanden aus Seitenwänden von Vogelkäfigen von fünfzig mal sechzig Zentimetern. Auf ihnen brachte ich Zweige an, die den Webern das Befestigen der ersten Halme ermöglichen sollten.
Alte und frische lange Gräser stellte ich wieder in die Voliere.
Da ich beobachtet hatte, dass die Tiere in ihrem Winterquartier Zweige eines Spierea-Strauches verbauten und Birkenzweige, die auf der Voliere lagen, hineinzuziehen versuchten, gab ich auch reichlich Birkenreisig. Damit wurde sofort der neue Nestbau begonnen. Diesmal allerdings breiter in der Anlage. Gräser wurden erst in der letzten Phase des Bauens verwendet. Eine der vorbereiteten Plattformen, die unter der Überdachung angebracht war, wurde als Grundlage genutzt. Auch der Jungvogel des Vorjahres war am Nestbau beteiligt.
Mitte Mai musste ich erneut einen Vogel herausfangen, da er massiv verdrängt wurde. Auch dabei beteiligte sich sehr aktiv der Jungvogel.
Der vorerst allein untergebrachte männliche Vogel wurde an den Zoo im tschechischen Pilsen abgegeben.
Ende Mai befreite ich den Boden der Voliere vom inzwischen flächendeckenden Grasbewuchs. Anscheinend bewegen sich die Rotschwanzweber lieber auf freiem Boden. Das feuchte Gras gefiel ihnen auf alle Fälle nicht. Bei dieser Gelegenheit untersuchte ich das Nest und fand darin vier Eier.
Wie schon Bielfeld im erwähnten Buch beschreibt, nehmen die Weber jegliche Art solcher Störungen übel. So verließen auch meine Rotschwanzweber dieses Nest und zogen in ein bereits im Bau befindliches. Dieses wurde größer und breiter erweitert, als alle Nester vorher. Es hatte nunmehr drei Eingänge und wurde von allen drei Vögeln zum nächtlichen Schlafen genutzt. (Die liegengelassenen Eier konnte ich herausnehmen und fotografieren.)
Vom 10. bis zum 25. Juni 2007 war das nun mit Sicherheit als Weibchen zu bezeichnende Tier im Nest verschwunden. Am 29. Juni waren die ersten Bettellaute zu hören und am 17. Juli, einem sehr heißen Tag, verließen zwei junge Rotschwanzweber das Nest. Sie verschwanden allerdings für die nächsten zwei Tage wieder darin.
Zu meiner großen Verwunderung fand ich am 19. Juli, also zwei Tage nach dem Ausfliegen der Jungen, unter dem alten Nest die aufgebrochenen Schalen von zwei Eiern. Ungewöhnlich ist dies in zweierlei Hinsicht. Zum Einen könnte es bedeuten, dass das Weibchen bereits wieder brütete, während die Jungen noch im Nest gefüttert wurden. Zum Anderen könnte es heißen, dass die Schalen so lange im Nest verblieben, bis die Jungen ausgeflogen waren. Dies wäre ebenfalls sehr ungewöhnlich. Jungtiere waren aber nicht vorhanden, wie sich zeigte.
Zum Winter brachte ich die Weber wieder in der besagten Überwinterungsvoliere unter. Innerhalb einer Nacht verlor ich durch eine eingedrungene Ratte bis auf den Vater und das Jungtier von 2006 (einem Weibchen) alle Vögel. Die Tiere wurden in ihrem Nest, das sie in der Innenvoliere gebaut hatten, getötet.
Das Weibchen starb im Frühjahr 2008.
Das Männchen blieb allein bis 2010. Dann erhielt ich ein vermeintliches Paar, von dem ein Tier gleich nach seiner Ankunft starb. Die Geschlechtsbestimmung ergab, dass es sich um zwei Männchen gehandelt hat. Um weitere Verluste zu verhindern, hielt ich beide Tiere getrennt voneinander und hoffte auf den Zufall, der eventuell doch noch ein Weibchen bringt.
Im Juli 2011 fand ich in der einen Voliere Schalen von Rotschwanzwebereiern. Es konnte folglich etwas mit der Geschlechtsanalyse durch DNA-Untersuchung nicht richtig sein.
Ich setzte beide Tiere zusammen und sie begannen augenblicklich mit dem Nestbau.
In den folgenden Jahren bis 2014 kam es zu mehreren Brutversuchen dieser Tiere. Nachwuchs zogen sie nie auf.
Fazit:
Diese niemals hektischen Weber mit ihren starenähnlichen Bewegungen und dem stetigen Nestbaudrang empfinde ich als angenehme Volierenvögel. Man kann sie gut in unseren Breiten halten und vermehren. Ihre Ernährung ist kein Problem. Um sie aber in der Form zu halten, wie sie in freier Natur leben, nämlich in einer größeren Gruppe, bedarf es einigen Platz.
Der Gedanke, dass diese Vögel komplett aus europäischen Volieren verschwinden, ist traurig, aber realistisch. Der Zoo im tschechischen Dvur hielt noch eine kleinere Gruppe und suchte weitere Tiere. Meine Vögel gab ich im Herbst 2014 dorthin und hoffte, dass es ihnen gut gehen würde und sich dort noch sehr lange Besucher an ihnen erfreuen können. Die Internetseite www.zootierliste.de zeigte, im Juni 2016, als aktuellen Bestand europaweit noch ein Tier in besagtem tschechischem Zoo an.
Ich danke Christiane und Peter Kaufmann für die Bereitstellung des Beitragsfotos von Rotschwanzwebern im Ngorongorokrater in der Serengeti.
Literatur: – Bielfeld, H.: „Weber, Witwen, Sperlinge“, 2. überarbeitete Auflage, Ulmer Verlag (1992)
Dieser Artikel ist eine überarbeitete und ergänzte Form meines in der VZE-Zeitschrift „Vogelwelt“ 10/2007 gedruckten Haltungsberichtes.
Die überarbeitete Form erschien in der „Gefiederte Welt“ Heft 10/2016 (Seite 12-15).