Misslungene Handaufzucht eines Dreifarbenglanzstares
Misslungene Handaufzucht eines Dreifarbenglanzstares (Lamprotornis superbus)
Werner & Yvonne Lantermann
Dreifarbenglanzstare (Lamprotornis superbus) gehören zu den formenreichen afrikanischen Glanzstaren, von denen einige inzwischen auch regelmäßig in Menschenobhut gehalten und gezüchtet werden. Über die misslungene Aufzucht von Dreifarbenglanzstaren, die zu den häufigsten Glanzstaren in Liebhaberhand gehören, berichtet der folgende Beitrag.
Unser zweijähriges Dreifarbenglanzstar-Paar hatte im Jahr 2016 mehrfach Brutversuche in einer großen Gemeinschaftsvoliere unternommen, in der außerdem Spornkiebitze (Vanellus spinosus) und Rotkopfamadinen (Amadina erythrocephala) leben. Das Nest war in einem vorn halb offenen Naturstammnistkasten angelegt und wurde in der klassischen Starenweise zunächst mit Gräsern, trockenen Blättern und Halmen, zuinnerst mit Vogelfedern gebaut. Dort hinein legte das Weibchen im Laufe des Sommerhalbjahres (soweit feststellbar) mindestens dreimal ein Gelege, einmal ein Dreiergelege, zweimal ein Vierergelege. Das erste Gelege schien unbefruchtet, zumindest haben wir außer den Eiern keinen geschlüpften Jungvogel wahrgenommen. Beim zweiten Gelege (mit vier Eiern) schlüpften mindestens drei Jungtiere, die am 4. Lebenstag bei einer Nistkastenkontrolle noch lebten und sperrten. Am 5. Tag fanden wir ein Küken tot auf dem Boden, am 6. ein weiteres, das noch lebte, aber kurz darauf in unserer Obhut einging. Das dritte Jungtier war nicht mehr auffindbar. Das dritte Gelege umfasste wiederum vier Eier, aus denen dann zwei Junge schlüpften. Diesmal hatten wir die Ernährung der Altvögel komplett umgestellt (siehe unten) und das Herauswerfen der Jungen um den 4. oder 5.Lebenstag unterblieb, so dass wir schon Hoffnung auf einen vollen Bruterfolg schöpften. Leider kam es dazu nicht, denn wiederum wurde ein Jungvogel am 6. Lebenstag aus dem Nest heraus befördert und lag tot am Boden. Der letzte Jungvogel wurde dann bis zum 9. Lebenstag aufgezogen und landete danach auf halber Höhe auf dem Futterplatz in einer Futterschale. Als wir ihn gegen 14 Uhr beim Füttern fanden, lebte er noch und gab ganz schwache Lautäußerungen von sich. Wir nahmen ihn daraufhin ins Haus, bauten auf die Schnelle eine Art Kunstnest in einem Plastikblumentopf und erwärmten diese Behelfsunterkunft von unten durch einen Terrarienheizstein, der eine milde Wärme verströmte. Unter diesen Bedingungen wärmte sich der junge Star schnell wieder auf, wurde lebhaft und gegen 16 Uhr sperrte er und fraß in einem Schlag von der Pinzette vier Heimchen mittlerer Größe. Zu diesem Zeitpunkt wog er 19 Gramm, am Abend nach weiteren vier Fütterungen (und weiteren 21 (!) Heimchen) hatte er sein Gewicht bereits auf 24 Gramm erhöht.
Der Star war fortan munter und zeigte in den nächsten Tagen eine rasante Entwicklung. Am nächsten Tag (10. Lebenstag) öffneten sich die Augen und er bekam über den Tag verteilt zwischen 8 Uhr und 23 Uhr sieben Fütterungen, bei denen er insgesamt 39 Heimchen zu sich nahm. Am 11. Tag wechselten wir das Lebendfutter und fütterten zum Teil auch Pinkys, die wir vor dem Verfüttern in Korvimin tauchten, damit kein Mineralstoff- bzw. Vitaminmangel auftreten konnte. Am Abend des 12. Tages wog das Jungtier bereits 32 Gramm, der 13. Tag endete mit einem Gewicht von 38 Gramm. Mittlerweile reicherten wir das Futter auch durch klein geraspelte Apfelstücken und etwas Eigelb an. Erste Körperfedern waren zwei Streifen brauner Federfluren an der Brust am 12./13. Tag. Zu diesem Zeitpunkt war die Kopfplatte bereits schwarz befiedert. Am 13. Tag war das Schwanzgefieder etwa 8 mm lang, am 16. Tag etwa 20 mm lang. Ab 14./15. Tag zeigte der Vogel relativ kräftiges Flügelschlagen, am 16. Tag waren erste Federfluren auf dem Rücken sichtbar, derweil die Schwungfedern gerade aus den Federspulen ragten und etwa 4-5 mm lang waren. Nun zeigten sich auch erste braune Federchen an den Flanken. Um den 19. Tag war sein Körpergefieder weitgehend vollständig.
Während die körperliche Entwicklung einen (wahrscheinlich?) normalen Verlauf nahm, wurde allerdings zunehmend deutlich, dass der Vogel Probleme mit seinen Füßen hatte. Das rechte Bein war etwas nach hinten ausgestellt und der Fuß konnte nicht normal zugreifen, auch der linke Fuß zeigte nur einen schwachen Greifreflex. Es wurde gegengesteuert, indem der Vogel nach dem Füttern jeweils in ein kleines Kistchen am Boden seines Kunstnestes gesetzt wurde, das den rechten Fuß in „richtiger“ Position hielt. Nach wenigen Tagen hatte sich die Haltung des Fußes dadurch scheinbar normalisiert, aber ein deutlicher Greifreflex blieb aus. Ein Besuch bei einem „Vogel“ Tierarzt erbrachte dann den zusätzlichen Befund, dass der linke Fuß angebrochen war und mit einem dünnen Verband gestützt werden musste. Aber auch diese Maßnahme führte letztlich nicht dazu, dass der Vogel normal sitzen und greifen konnte. Auch als er größer wurde, robbte er stets auf dem Bauch und stützte sich (zum Beispiel beim Wiegen) mit ausgebreiteten Flügeln ab. Am 16. Lebenstag erreichte der Vogel mit 44 Gramm sein höchstes Körpergewicht, das er bis etwa zum 19. Tag hielt. Danach hätte der Vogel, wenn er denn hätte sitzen und greifen können, ausfliegen sollen, denn sein Körpergefieder war zu diesem Zeitpunkt weitestgehend vollständig, er schlug vielfach mit den Flügeln, sein Appetit war ungebremst und auch sein „Wille“ das künstliche Nest zu verlassen, war deutlich zu spüren. Durch die viele Bewegung reduzierte sich sein Körpergewicht ab dem 20. Lebenstag auf 39-42 Gramm (derweil ein adulter Freilandstar aus Kenia laut Literatur durchschnittlich knapp 65 g (52-77g, n=36) wiegt (Fry, Keith & Urban 2000)).
Wir fütterten das Tiere dann noch weitere fünf Tage und hofften, dass sich noch Behandlungserfolge an den Füßen einstellen würden. Das war aber leider nicht der Fall, und so schläferte die Tierärztin den bedauernswerten Vogel am 27. Lebenstag schließlich ein. Sie vermutete, dass der Vogel beim Sturz aus dem Nistkasten einen Hüft- oder Rückenschaden genommen hatte, der nun eine (dauerhaften) Lähmung der Beine nach sich zog.
Zur Ernährung ist anzumerken, dass eine „gewöhnliche“ Futtermischung, bestehend aus Obst, unterschiedlich angereichertem Weichfutter und Mehlwürmern für die Altvögel zur Jungenaufzucht keineswegs genügt, selbst wenn man (oder gerade weil man?) den Mehlwurmanteil beim Schlüpfen der Jungen deutlich erhöht. In unserem Fall (siehe oben) wurden bei diesem Nahrungsangebot die Jungvögel stets um den 4. oder 5. Lebenstag aus dem Nest geworfen – eine Erfahrung, die auch Winkendick & Winkendick (2013) mit ihrer Weichfresserzucht teilen und ausdrücklich für den Verzicht auf Mehlwürmer in den ersten Lebenstagen und -wochen der Jungvögel plädieren. Als Begründung wird u. a. angeführt, dass die adulten Männchen durch die Fütterung der Mehlwürmer zu viel Energie bekommen und (zu schnell) erneut zur But schreiten wollen und/oder dass die Jungvögel die Chitinhaut der Mehlwürmer nicht richtig verdauen können, in der Folge schnell sterben und dann von den Altvögeln aus dem Nest geworfen werden. Ob es daran liegt, ist bislang nicht einwandfrei bewiesen, zumindest aber teilen viele Vogelhalter die Erfahrung, dass Weichfresserjungvögel oftmals den vierten Lebenstag nicht überstehen (vgl. Lepperhoff 2014). Aber auch Nestkontrollen wirken sich häufig negativ auf das Brut-und Aufzuchtgeschehen aus und können zum Verlassen der Jungvögel führen (Simon, briefl.).
Wie dem auch sei: zumindest hat unser dieser Misserfolg gezeigt, dass eine Handaufzucht von (unverletzten) Glanzstaren eigentlich recht problemlos zu bewerkstelligen sein müsste, dass die Jungvögel einen ungeheuren Appetit entwickeln und eine rasante körperliche Entwicklung durchmachen. Daraus folgt auch, dass eine erfolgreiche Starenaufzucht durch die Elterntiere in einer Gemeinschaftsvoliere so gut wie aussichtslos ist, weil immer auch andere Nutznießer vom Lebendfutter profitieren wollen, so dass der immense Bedarf der Jungvögel kaum ausreichend gedeckt werden kann, es sei denn, man füttert fünf- bis sechsmal täglich größere Mengen an geeignetem Lebendfutter.
Abschließend sei bemerkt, dass wir aus verschiedenen Gründen keine Befürworter von Handaufzuchten sind. In diesem Fall handelte es sich allerdings nicht um eine bewusste Entscheidung unsererseits zur Handaufzucht, sondern um Notfallhilfe für einen klammen und verletzten Jungvogel, die uns zudem noch einige Erkenntnisse zur Starenaufzucht erbrachte.
Wir danken Herrn Bernd Simon von der AG-Weichfresser e.V. für die Durchsicht unseres Beitrages und einige hilfreiche Kommentare zur (künftigen) Starenhaltung und -zucht.
2017
Literatur
Fry, C. H., S. Keith & E. Urban (2000): The Birds of Africa, Vol VI, Academic Press,
Lepperhoff, L. (2014): Sind Mehlwürmer als Futter wirklich ideal? Tierwelt, 14. Juni 2014
Winkendick, S. & R. Winkendick (2013): Der Mehlwurm – Freud oder Leid der Vogelhaltung, Gef. Welt 137, H. 5: 28-29
Fotos vom Jungvogel: Yvonne Lantermann
Beitragsbild: Thomas Ratjen