
Schwarzkehl-Elster
Ein Erfahrungsbericht aus 40 Jahren Vogelzucht – mit Fokus auf Verhalten, Nestbau und Jungtieraufzucht bei Weichfressern
Einleitung
Seit über 40 Jahren beschäftige ich mich intensiv mit der Zucht von Ziervögeln, angefangen mit Papageien, Amazonen und Sittichen. Vor etwa neun Jahren entschloss ich mich zu einem Wechsel: Ich wollte mich einer neuen Herausforderung stellen und begann mit der Haltung und Zucht von Weichfressern – eine Entscheidung, die ich bis heute nicht bereue.
Ein ganz besonderer Teil meiner Zuchtgeschichte ist die Aufzucht und Beobachtung eines Paares Schwarzkehl-Elstern, von denen das Weibchen schnell den Spitznamen „Sissi“ erhielt – benannt nach der Kaiserin, denn ihr Verhalten war ebenso stolz wie individuell.
Vom Paar zur Brut
Im ersten Jahr nach dem Erwerb des Paares zeigte sich keinerlei Brutverhalten. Ich vermutete, dass es sich nicht um ein harmonierendes Geschlechtspaar handelte, und ließ eine erneute DNA-Analyse durchführen. Diese bestätigte jedoch, dass es sich sehr wohl um ein echtes Paar handelte.
Im zweiten Jahr traten erste Verhaltensänderungen auf. Beim Füttern lagen plötzlich Zweige und Äste im Futternapf – ein Hinweis auf beginnenden Nestbautrieb. Ich hatte sowohl in der Außen- als auch in der Innenvoliere verschiedene Nisthilfen angeboten, ohne dass sie angenommen wurden. Unwissentlich entfernte ich die eingetragenen Zweige mehrfach wieder – bis ich realisierte: Das Weibchen will bauen.
Ich montierte daraufhin eine größere Futterschale (einen Blumentopf) als Nisthilfe direkt am Futterplatz und füllte sie mit geeignetem Nistmaterial. Innerhalb weniger Wochen begann Sissi mit dem Nestbau – völlig ungestört, selbst wenn ich danebenstand. Es entwickelte sich fast eine Art Zusammenarbeit: Ich gab ihr Nistmaterial, sie verbaute es – wieder und wieder.
Eiablage und Aufzucht
Nach etwa drei bis vier Wochen lag das erste Ei im Nest. Innerhalb von drei Tagen legte das Weibchen drei Eier, dann folgte ein Tag Pause, anschließend legte sie bis zum siebten Ei durch. Von diesen sieben Eiern waren sechs befruchtet; aus dem ersten Gelege wurden vier Junge erfolgreich aufgezogen.
Die Jungvögel erhielten eine abwechslungsreiche Ernährung, bestehend aus Mäusen, Zophobas, Rinder- und Hähnchenherzen sowie weiteren proteinreichen Bestandteilen. Interessanterweise lehnten sie sogenannte „Pingies“ zunächst ab, was mich stutzig machte.
Beim Reinigen der Voliere entdeckte ich in einigen Ecken aufgespießte Mäuse und Küken, die in Astgabeln hingen – offensichtlich gezielt platziert. Um dieses Verhalten näher zu untersuchen, installierte ich ein Kamerasystem. Die Beobachtung zeigte: Die Altvögel erzeugten sich selbst Futterquellen durch gezieltes Anlocken von Maden und Fliegenlarven – ein bemerkenswertes Beispiel für artspezifisches Anpassungsverhalten in Gefangenschaft.
Später nahmen die Altvögel dann auch Obst gerne an – besonders Äpfel, Birnen und Kirschen, die ich halbierte und aufspießte. Das gesamte Obstangebot wurde in der Fütterungszeit sehr gut angenommen.
Zweitbrut und Handaufzucht
Nach einer zweiwöchigen Pause – in der die erste Brut bereits selbstständig fraß – begann das Weibchen mit einem zweiten Gelege. Fünf Eier wurden gelegt, drei Jungvögel erfolgreich großgezogen. In den folgenden Jahren wiederholte sich dieses Schema regelmäßig: Zwei Jahresbruten mit zuverlässiger Nachzucht.
In Fällen, in denen einzelne Jungvögel schwächer waren, griff ich unterstützend ein. Ich zerschnitt kleine Mäuse und fütterte diese per Hand. Während das Weibchen sich in die Außenvoliere zurückzog, konnte ich die Kleinen im Nest versorgen. Ohne dieses Eingreifen hätten es manche nicht geschafft – besonders wenn sie von ihren stärkeren Geschwistern verdrängt wurden.
Wenn alle Nestlinge etwa gleich stark waren, übernahm das Elternpaar die Aufzucht vollständig selbstständig.
Beobachtungsstrategien
Ein Schlüssel zum Erfolg war und ist für mich die kontinuierliche Verhaltensbeobachtung mittels Kameras. Ich habe jede meiner Volieren mit Überwachungstechnik ausgestattet, um das Verhalten meiner Tiere genau studieren und gegebenenfalls eingreifen zu können. Diese Kameras haben mir oft entscheidende Hinweise gegeben – sei es zur Brutpflege, zum Futterverhalten oder zu Stressreaktionen.
Ich füttere ganzjährig abwechslungsreich – aber ohne saisonale Umstellungen: Insekten, tierische Eiweiße und Obst stehen immer zur Verfügung. Die Schwarzkehl-Elstern kommen mit diesem konstanten Angebot sehr gut zurecht.
Eine besondere Erfahrung: Lärm und Verlust
Ein einprägsames Erlebnis hatte ich während eines Sommerfests des Nachbarn. Die starke Bassanlage übertrug Vibrationen bis in meine Anlage. Gegen 22 Uhr zeigte die Kamera auf, wie panisch Sissi durch die Voliere flog. Trotz der installierten Nordlichter zur Orientierung hatte sie Angst. Sie kümmerte sich nicht mehr um die Jungen.
Ich entnahm die drei Nestlinge, setzte sie in eine beheizte Box und fütterte sie über Nacht. Am nächsten Morgen wagte ich ein Experiment: Ich setzte die Jungvögel zurück ins Nest und beobachtete – gut versteckt – per Kamera, was passieren würde.
Sissi entdeckte ihre Küken, zeigte sichtbare Freude und setzte sich sofort zum Wärmen auf sie. Das Männchen brachte Futter, und beide führten die Aufzucht wie gewohnt fort – als sei nichts gewesen. Für mich war das einer der emotionalsten und schönsten Momente meiner gesamten Zuchtlaufbahn.
Haltungshinweise
– Außenvoliere: 8 m x 3 m bei 2,29 m Höhe
– Innenvoliere: ähnliche Maße
– Brutdauer: ca. 18 Tage, Brutbeginn ab dem 3. Ei
– Synchrones Schlüpfen: 2-3 Küken gleichzeitig
– Fütterung: Ganzjährig gleichbleibend, abwechslungsreich mit Insekten, Mäusen, Herzen, Obst
– Nistverhalten: Bevorzugung zentraler, offener Nistplätze bei gleichzeitigem Schutz
– Beobachtung: Kamerasystem sehr empfehlenswert
Fazit
Die Zucht von Weichfressern – insbesondere von Rabenvögeln wie der Schwarzkehl-Elster – ist herausfordernd, aber auch ungemein faszinierend. Geduld, genaue Beobachtung und das Verständnis für das natürliche Verhalten sind essenziell. Mit technischen Hilfsmitteln wie Kameras und der Bereitschaft, individuelle Lösungen zu finden, lassen sich auch anspruchsvolle Arten erfolgreich züchten.
Sissi, meine „Kaiserin“, hat mir gezeigt, dass Zucht nicht nur Biologie, sondern auch Vertrauen, Beobachtungsgabe und manchmal sogar Improvisation erfordert.